Geschichte der Darmstädter Luftfahrtforschung
D-7 “Margarete“, doppelsitziges Segelflugzeug, Bild von 1925. Quelle: Akaflieg
D-7 “Margarete“, doppelsitziges Segelflugzeug, Bild von 1925. Quelle: Akaflieg

Institutionelle Anfänge

1913 beginnt für die damalige TH Darmstadt mit der Berufung von Carl Eberhardt auf den Lehrstuhl für Luftschifffahrt und Flugtechnik die institutionalisierte Forschung im Bereich der Luftfahrt. Damit war sie zwar nicht die erste Hochschule, die Luftfahrtforschung betrieb, es war aber der erste Lehrstuhl, der sich ausschließlich der Wissenschaft von Luftschiffen und Flugzeugen widmete.

Mit dem Verbot der motorisierten Luftfahrt in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg erlebte der Segelflug, auch und gerade in Darmstadt, einen enormen Aufschwung. An der TH Darmstadt gründete sich die Akademische Fliegergruppe Akaflieg, deren Mitglieder eigene Segelflugzeuge konstruierten und flogen. Der Griesheimer Sand entwickelte sich durch die dortige Gründung des Aerodynamischen Institutes 1922 und der Ansiedlung der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) ab 1933 zu einem frühen Forschungszentrum. Bedeutend für diese Zeit war die enge personelle Verknüpfung zwischen der TH und diesen Institutionen. Beispielhaft sei hier Walter Georgii genannt, der einerseits Professor für Meteorologie an der TH war, andererseits aber auch Vorstandsmitglied der Hessischen Flughafen AG Darmstadt und Gründungsmitglied des Segelflugvereins Rhön-Rossitten-Gesellschaft, aus der später die DFS entstand.

Als Eberhardt 1932 starb und Franz Nikolas Scheubel sein Nachfolger wurde, hatte sich das Flugzeug gegen das Luftschiff durchgesetzt und so verschwand die Luftschiffhart aus dem Namen des Lehrstuhls. Scheubel baute das Institut weiter aus.

Rohbau des TH-Windkanals in Griesheim. In den Jahren 1935/1936 entstand nach Entwürfen von Professor Franz Nikolaus Scheubel, dem damaligen Inhaber des Lehrstuhls für „Luftschiffahrt und Flugtechnik“ , ein neuer Windkanal auf dem Gelände der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) in unmittelbarer Nähe des Darmstädter Flugplatzes in Griesheim. Bild: Universitätsarchiv TU Darmstadt
Rohbau des TH-Windkanals in Griesheim. In den Jahren 1935/1936 entstand nach Entwürfen von Professor Franz Nikolaus Scheubel, dem damaligen Inhaber des Lehrstuhls für „Luftschiffahrt und Flugtechnik“ , ein neuer Windkanal auf dem Gelände der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) in unmittelbarer Nähe des Darmstädter Flugplatzes in Griesheim. Bild: Universitätsarchiv TU Darmstadt

Militärische Luftfahrtforschung 1933-45

1933/34 wird der Flughafen Darmstadt auf das Gelände am Griesheimer Sand verlegt – genehmigt vom Reichsluftfahrtministerium und Auswärtigem Amt. Das NS-Regime weiß um das militär- und rüstungstechnisch nutzbare Potenzial besonders der Wissenschaftler vor Ort und der Flugzeugindustrie. Das rasch für die Luftwaffe ausgebaute und modernisierte Gelände wird zu einem für die Kriegsplanung wichtigen Ausbildungs- und Entwicklungszentrum im Deutschen Reich mit mehr als tausend Beschäftigten. Professoren der TH beteiligen sich umfangreich an der Rüstungsforschung. Zwischen 1935 und 1937 entsteht der Windkanal der TH.

Die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) ist auf dem Flughafen ebenso ansässig wie die studentische Akaflieg, der Deutsche Luftsportverband, die Ingenieurschule für Luftfahrtechnik und ab 1937 die vormilitärische Kampforganisation„Nationalsozialistisches Fliegerkorps (NSFK)“.

Siehe auch: Geschichte der TU Darmstadt: Zivile und militärische Luftfahrtforschung – ab 1908

Prof. Dr. Günther Bock. Quelle: Universitätsarchiv
Prof. Dr. Günther Bock. Quelle: Universitätsarchiv

Wiederaufbau der Luftfahrforschung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden der Lehrstuhl und das Institut aufgrund des Forschungsverbots obsolet. Erst 1954 konnte die Forschung wieder aufgenommen werden. Auf den neu eingesetzten Lehrstuhl wurde Günther Bock berufen und das Institut für Luftfahrt gegründet. In der frühen Phase des Instituts lag das Hauptaugenmerk auf dem Wiederaufbau der lokalen aber auch nationalen Luftfahrtforschung. Auf dem Gelände des nicht zerstörten Windkanals entstanden in dieser Zeit weitere Institutsbauten.

Umstrukturierungen

Mit der Umbenennung des Instituts in Institut für Flugtechnik konnte der Aufbauprozess auch nach außen als abgeschlossen gelten. Als Nachfolger von Günther Bock leitete Xaver Hafer das Institut von 1966 bis 1982. Mit der Emeritierung Hafers erfolgten bedeutsame Umstrukturierungen des Fachgebiets: Die immer komplexer werdenden Flugsysteme machten es nötig, im Zuge der Neubesetzung einen weiteren Lehrstuhl zu schaffen und in die kurz zuvor geschaffene Fachgebietsstruktur zu überführen. Somit entstanden in der Nachfolge von Eberhardt Anfang der 1980er Jahre das Fachgebiet Flugmechanik und Regelungstechnik mit Wolfgang Kubbat als Leiter sowie das von Bernd Ewald geleitete Fachgebiet Aerodynamik und Messtechnik.

Versuchsaufbau im Windkanal 2008. Bild: Katrin Binner
Versuchsaufbau im Windkanal 2008. Bild: Katrin Binner

Mit der Emeritierung von Bernd Ewald 1997 setzte ein erneuter Umstrukturierungsprozess ein, in dessen Folge die Fachgebiete Strömungslehre und Aerodynamik (SLA), Flugsysteme und Reglungstechnik (FSR), Gasturbinen, Luft- und Raumfahrtantriebe (GLR) sowie Konstruktiver Leichtbau und Bauweisen (KLUB) entstanden. Diese vier Fachgebiete bilden heute den Kern der Luftfahrtforschung an der TU Darmstadt und können im Jahr 2013 auf 100 Jahre Luftfahrtforschung in Darmstadt zurückblicken.

Sebastian Keller: „100 Jahre Luftfahrtprofessur an der Technischen Universität Darmstadt“ , Ausstellung zur historischen Entwicklung der Luftfahrtforschung an der TU Darmstadt, 2013.

„Zivile und militärische Luftfahrtforschung – ab 1908“ , Dauerausstellung der Technischen Universität Darmstadt